Stress macht krank – und wie das alles mit unserem Vata zusammenhängt

Das Leben ist kompliziert. Und da kann einem schon mal angst und bange werden.
Wird die KI meinen Job übernehmen? Werden meine Söhne zum Wehrdienst eingezogen? Ist meine Rente sicher?

Fragen über Fragen, Zweifel über Zweifel… All das macht uns das Leben schwer – und belastet unsere körperliche wie seelische Gesundheit. Das innere Kopfkarussell verbraucht enorme Energie und steigert den Stress, was zunächst zu Reizbarkeit, Schlafstörungen und später zu Erschöpfung führt. Auch das Immunsystem reagiert auf die dauerhafte innere Anspannung mit einer Abnahme der Abwehrkraft und erhöhter Krankheitsanfälligkeit.

 

Stress und Immunität – was Wissenschaft und Ayurveda gemeinsam sagen

Wie eng Stress und Immunsystem miteinander verbunden sind, wurde mittlerweile in über 300 wissenschaftlichen Studien untersucht. Sie zeigen übereinstimmend:
Kurzzeitiger, akuter Stress mobilisiert unsere Leistungsfähigkeit. Wenn es „darauf ankommt“, können wir über uns hinauswachsen – der Organismus schüttet Adrenalin und Cortisol aus, die Durchblutung und Aufmerksamkeit steigen.
Chronischer Stress hingegen wirkt zerstörerisch: Er schwächt die zelluläre und humorale Immunantwort, erhöht Entzündungsmarker und begünstigt Infektanfälligkeit, Autoimmunreaktionen sowie langsame Wundheilung. Der Körper bleibt in Alarmbereitschaft, ohne zur Ruhe zu kommen.

 

Das ayurvedische Erklärungsmodell

Was die moderne Forschung in Laborwerten misst, beschreibt Ayurveda in der Sprache der Doshas.
Hier wird das gesamte Phänomen von Unruhe, Überforderung und Nervosität dem Vata-Dosha zugeordnet. Vata steht für Bewegung, Nervenimpulse, Atmung und geistige Aktivität – es reguliert das Denken, Fühlen und Handeln. Gerät Vata aus dem Gleichgewicht, zeigt sich das in Symptomen wie Schlaflosigkeit, Ängsten, Erschöpfung, Verdauungsproblemen oder trockener Haut.

Ein dauerhaft erhöhter Vata-Zustand entspricht also dem, was die moderne Medizin als chronischen Stress bezeichnet. Das Ziel jeder ayurvedischen Therapie ist deshalb, Vata zu beruhigen, Stabilität aufzubauen und die natürlichen Selbstheilungskräfte zu reaktivieren.

 

Zwei Wege gegen Stress und seine Folgen

Aus ayurvedischer Sicht gibt es zwei Wege, um Stress und seine negativen Auswirkungen auf Körper und Geist zu reduzieren:

1. Körperorientierte Strategien zur Vata-Beruhigung

  • Warme, regelmäßige Mahlzeiten: Besonders mit süßem, öligem, leicht verdaulichem und warmem Essen wie Suppen, Kitchari oder gekochtem Getreide.
  • Tägliche Routine (Dinacharya): Regelmäßiger Schlafrhythmus, ausreichend Ruhephasen, Vermeidung von Multitasking.
  • Selbstmassage mit warmem Öl (Abhyanga): Besonders mit Sesamöl – wirkt beruhigend auf das Nervensystem und stärkt die Abwehr.
  • Heilpflanzen und Rasayanas: Ghee, Ashwagandha, Süßholz, Brahmi oder Tulsi unterstützen das Immunsystem und harmonisieren Vata.
  • Wärme und Geborgenheit: Meiden von Kälte, Wind und Überstimulation durch Medienkonsum.

2. Geistig-seelische Strategien zur Stärkung der psychischen Widerstandskraft

In der ayurvedischen Psychologie (Sattvavajaya Chikitsa) wird der Geist als steuernde Instanz betrachtet. Hier geht es um die Schulung der Wahrnehmung, die Klärung von Gedankenmustern und die Pflege positiver Emotionen.
Techniken wie

  • Atemübungen (Pranayama, z. B. Nadi Shodhana),
  • Meditation,
  • Achtsamkeit im Alltag und
  • Gesprächstherapie mit typgerechter psychologischer Begleitung

helfen, belastende Gedanken zu erkennen und umzuwandeln.

 

Gedanken formen Gefühle

Angst, Wut, Neid oder Hilflosigkeit – all das sind Emotionen, die uns schwächen, wenn sie überhandnehmen. Ayurveda lehrt: Jede Emotion hat ihren Ursprung im Denken. Hinter jedem Gefühl steht ein Gedanke, eine innere Überzeugung oder ein unverarbeitetes Erlebnis. Werden diese erkannt, können sie sich transformieren.

Zum Beispiel:
Ein Mensch, der häufig Angst verspürt, denkt tief im Innern: „Ich schaffe das nicht alleine“ oder „Ich bin nicht sicher“. Diese unbewussten Gedankenmuster lösen Stressreaktionen aus, die das Nervensystem in ständiger Alarmbereitschaft halten.
In der ayurvedischen Psychotherapie wird daher über Bewusstseinsarbeit, Meditation und gezielte Gesprächsführung daran gearbeitet, den Geist zu beruhigen und das Vertrauen in die eigene Lebensenergie wiederherzustellen.

 

5 Ayurvedische Maßnahmen zur mentalen Stärkung

  • Sattvische Ernährung, die den Geist beruhigt: Bevorzuge pflanzenbasierte, warme, gekochte und leicht verdauliche Mahlzeiten.
  • Rasayana-Therapie: Verbessere deine psychische Gesundheit und das Gedächtnis durch medhya-Rasayanas wie Ashwaganda und Brahmi.
  • Dinacarya: Lebe im Rhythmus mit deiner inneren Bio-Uhr und achte auf eine gute Schlafhygiene mit genügend Ruhephasen.
  • Pranayama und Meditation: Gönn deinem Geist eine Pause, indem du dich 10 Minuten am Tag auf deinen Atem konzentrierst und dich in Konzentration und meditativer Ruhe übst.
  • Ethisches Verhalten: Stärke deine soziale Gesundheit mit Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und guten Beziehungen zu deiner Familie, Freunden und direktem Umfeld.
Kerstin Rosenberg

Zur Autorin

Kerstin Rosenberg bildet als bekannte Ayurveda-Spezialist und erfolgreiche Buchautorin Ayurveda-Therapeuten, -Ernährungsberater und psychologische Berater in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Gemeinsam mit ihrem Mann ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Europäischen Akademie für Ayurveda, einer international ausgezeichneten Ayurveda- Einrichtung mit eigenem Ayurveda Schulungs- und Kurzentrum in Birstein, Hessen. Als Vorsitzende des VEAT - Verband Europäischer Ayurveda-Mediziner und –Therapeuten vertritt Kerstin Rosenberg die fachlichen und bildungspolitischen Interessen von Ayurveda-Ärzten, -Heilpraktikern und -Therapeuten in der Öffentlichkeit und internationalen Fachgremien.