Artikel von Kerstin Rosenberg, Ayurveda-Spezialistin, Buchautorin und Ausbildungsleiterin an der Europäischen Akademie für Ayurveda
Niemals war die richtige Ernährung für Kinder so wichtig wie heute. Denn aufgrund der vielen negativ Gesellschafts- und Umwelteinflüsse ist die Liste von weit verbreiteten Entwicklungsstörungen und Krankheitsbildern – wie Hyperaktivität, Verhaltensauffälligkeiten, Asthma, Neurodermitis, HNO-Problematiken, Übergewicht, Allergien oder Konzentrations- und Schlafstörungen – lang. Um all das auszugleichen, benötigen Kinder vor allem einen ausgewogenen Speiseplan mit frischen Nahrungsmitteln, die leicht verdaulich zubereitet sind und in liebevoller Atmosphäre mit der Familie eingenommen werden.
In diesem Sinne sorgen Eltern nicht nur für das leibliche Wohl ihrer Sprösslinge, sondern nähren auch die Seele: Vom Zeitpunkt der Zeugung an reagiert das heranwachsende Kind sensibel auf den substanziellen und energetischen Gesundheitszustand von Mutter und Vater: Je gesünder, entspannter und glücklicher die Eltern schon bei der Zeugung waren, umso stabiler und widerstandsfähiger werden sich die Konstitution und Gesundheit des heranwachsenden Kindes entwickeln.
So beschreiben es die klassischen Ayurveda-Schriften „Kaumarabhrtya“, in der die Autoren Caraka und Sushruta der Kinderernährung ein eigenes Kapitel gewidmet haben. Hier empfehlen sie leicht verdauliche Speisen, die Kapha (Schleim) nicht erhöhen und Ojas (Lebensenergie) mehren. Diese Eigenschaft findet sich vor allem bei der Kombination von Milch und Getreide mit aufbauenden Gewürzen und Kräutern – wie Safran, Fenchelsamen oder getrockneten Amla-Früchten. Leidet das Kind jedoch unter Hals-Nasen-Ohren-Problematiken oder Hauterkrankungen, so sollte Milch reduziert und durch Soja- oder Reismilchprodukte ergänzt werden.
Abträglich für jedes Kind ist der Genuss von Joghurt, Käse, Wurst, Fleisch – speziell am Abend und in der Kombination mit Tomaten oder Früchten. Dies wirkt durch seine blockierende und verschleimende Qualität ganz besonders negativ auf den Stoffwechsel (Agni) und das Zirkulationssystem (Srotas) ein.
Da unsere heutigen Kinder aber auch unter vielen Stress- und Umwelterkrankungen leiden, sollte auch vermehrt auf das psychische Gleichgewicht des Heranwachsenden geachtet werden. Hier empfiehlt die klassische Ayurveda-Kinderheilkunde eine vegetarische Kost mit viel Gemüse, Getreide, Früchten, Nüssen, Hülsenfrüchten und hochwertigen Fetten. Besonders die ausreichende Zufuhr von nährenden Aufbaustoffen stabilisiert das körperliche und emotionale Gleichgewicht. Dies macht den regelmäßigen Verzehr von Linsen- und Bohneneintöpfen, zusammen mit Kartoffeln, Getreide oder Brot, unerlässlich für eine fleischlose, aber vollwertige Kinderernährung.
Drei Schritte für eine gesunde Kinderernährung
Gelingt es uns, eine Ernährung ohne Fertigprodukte für das Kind zu gestalten, ist bereits eine der wichtigsten Ayurveda-Ernährungsregeln erfüllt: Vitalstoffreiche Speisen, mit Grundnahrungsmitteln aus der Region und frei von Konservierungsstoffen, Emulgatoren und Geschmackverstärkern, schenken die optimale Basis für ein gesundes Wachstum und eine harmonische Entwicklung.
Der zweite Schritt liegt in der typgerechten Optimierung des Speiseplans. Wir wählen bewusst die Nahrungsmittel aus und stimmen es auf die Konstitution ab (siehe Tabelle). Dies ist vor allem bei einem Ungleichgewicht der Doshas, d.h. bei Befindlichkeitsstörungen wie einem schwachen Immunsystem, Schlafstörungen oder Allergien (Vata), Hautreizungen oder Durchfall (Pitta) sowie Übergewicht oder HNO-Problematiken (Kapha) notwendig.
Der dritte Schritt ist langsame Integration der allgemeinen Ayurveda-Ernährungsregeln für einen gesunden Stoffwechsel. Hier stehen vor allem die Prinzipien von Regelmäßigkeit, Mäßigkeit und Bewusstheit im Vordergrund:
In Ruhe essen und gut kauen
Im Entspannungszustand arbeitet unser Verdauungssystem am besten! Schaffen Sie eine ruhige Atmosphäre beim Essen und helfen Sie Ihrem Kind, seine Mahlzeit in einem ausgeglichenen Gemütszustand einzunehmen.
Gekochte und selbst zubereite Mahlzeiten bevorzugen
Kinder brauchen „Hausmannskost“ – gut gekochte und selbstzubereitete Speisen in Bio-Qualität, in der die ganze Liebe der Mutter (oder des Vaters) spürbar und schmeckbar ist. Mindestens die Hauptmahlzeiten am Mittag und Abend sollten warm zubereitet sein.
Regelmäßig Essen und Zwischenmahlzeiten vermeiden
Kinder sollten regelmäßige Mahlzeiten einnehmen und das unkontrollierte „Zwischendurch-Futtern“ meiden. Kaum etwas ist der Verdauung zuträglicher. Am besten ist es, erst wieder zu essen, wenn die vorangegangene Mahlzeit verdaut ist. Nur so werden die Verdauungs- und Stoffwechselprozesse nicht belastet. Optimal für den Kinderstoffwechsel sind drei Hauptmahlzeiten und zwei kleine Zwischenmahlzeiten.
Die richtige Menge
Kinder sollen nur soviel essen, wie ihr Magen fassen kann: Die optimale Menge pro Mahlzeit ist ungefähr soviel Speisebrei, wie in zwei Handflächen passt.
Zu den Mahlzeiten nicht trinken
Um das Verdauungsfeuer nicht unnötig zu schwächen, sollte zu den Mahlzeiten maximal eine Tasse warmer Tee oder ein Glas Wasser getrunken werden.
Frische Früchte und Milch alleine einnehmen
Frische Früchte und unbehandelte Kuhmilch zählen zu den wichtigsten Energie- und Nährstoffträgern in der ayurvedischen Kinderernährung. Um diese optimal zu verstoffwechseln, ist es jedoch notwendig, sie stets alleine – beispielsweise als Zwischenmahlzeit – einzunehmen. Sehr bekömmlich ist es, eine Obstmahlzeit am Vormittag und eine warme Milch am Abend vor dem Schlafengehen fest im täglichen Speiseplan zu verankern.
Ernährungs- und Gesundheitsempfehlungen zum Dosha-Ausgleich bei Kindern
Dosha-Dominanz | Zu empfehlen (Pathya) | Zu meiden (Apathya) |
Für gesunde Kindern und zum Vata-Ausgleich (speziell bei Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen oder einem schwachen Immunsystem) | Ziegen- oder Kuhmilch, warmer Getreidebrei, Gerste, Weizen, Ghee, Reis, Nüsse, Mungdal, Zuckerrohrprodukte, Kürbis, Kartoffeln, Karotten, Trauben, Rosinen, Mandeln, Kokosnuss, Süßholz, Zimt, Asafoetida, Ingwer, Cumin | schwerverdauliche Nahrung, unregelmäßige Ernährung, inkompatible Nahrung, fettiges, saures, scharfes oder irritieren- des Essen, ständiges Essen, Unterdrückung der Ausscheidungsreflexe (vega- samdhara) |
Ernährung für Kinder mit erhöhtem Kapha (speziell bei Verschleimung, Übergewicht, Trägheit und motorischer Unterentwicklung) | Ziegenmilch (verdünnt) mit Ingwer, Getreidebrei, Roggenbrot, Gerste, Honig (erst ab dem 1. Lebensjahr), Kardamon, Zimt | Hafermilchbrei, Süßigkeiten, Zucker, Fermentiertes, z.B. mit Hefe, Frittiertes, Bananen, Joghurt, Käse, Quark, Eis, Fertigprodukte, Rohkost, Tomatenkonzentrat, kalte Nahrung und Getränke, saures Obst oder Obstsäfte |
Ernährung für Kinder mit erhöhtem Pitta (speziell bei Hautirritationen und -Erkrankungen, Durchfall, Hitze und Aggressionen) | Ziegenmilch, Weizen, Gerste, Eis in geringen Mengen, Rohkost, süßes Obst und Gemüse wie Karotten, rote Beete, grünes Gemüse wie Spinat, Salat, Süßspeisen wie Pudding mit Safran und Kardamom, reines Marzipan, Vollkornkekse mit Honig oder Rohrzucker gesüßt | saures, fettiges und scharfes, rotes Fleisch, Eier, Tomatenkonzentrat, Käse, Joghurt, Quark, saures Obst oder Obstsäfte, Fermentiertes, Frittiertes (Pommes, Chips), Industriesüßigkeiten mit chemischen Zusätzen oder Nuss- Schokoriegel |