Artikel von Marco Lebbing, Facharzt für Allgemeinmedizin und Medizinischer Ayurveda-Spezialist
Endlich ist der Sommer da. Aber mit den steigenden Temperaturen und der Schönheit der blühenden Bäume und Blumen entstehen für viele Menschen allergische Beschwerden, die bis in den Herbst hinein anhalten können. Die allergische Rhinitis (allergischer Schnupfen) ist weltweit bekannt. Zwar gilt sie als ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Asthma bronchiale, ist jedoch eher eine lästige und störende Erkrankung als eine bedrohliche. Gerade die Chronizität und regelmäßige Verschlechterung bei Kontakt mit entsprechenden Allergenen ist belastend.
Zwei klinische Studien mit unterschiedlichen Ansätzen
Die Schulmedizin bietet eine hauptsächlich symptomatische Therapie zur Reduktion der Symptome. Wir wollen hier zwei Studien vorstellen, die einen ayurvedischen Ansatz zur Behandlung der allergischen Rhinitis untersuchen. Beide wurden 2009 in der Zeitschrift Ayu veröffentlicht. Die erste, eine „klinische Studie von Anurjata Janita Pratishyaya (allergische Rhinitis und eine vergleichende Bewertung von Nasya karma)“, veröffentlicht von NEHA J. MODHA (TANK), V. D. SHUKLA, M. S. BAGHEL vom Institut für Post-Graduale Lehre und Forschung an der Gujarat Ayurved University in Jamnagar, vergleicht zwei verschiedene reinigende Nasenbehandlungen mit einer oralen phytotherapeutischen Behandlung. Die zweite, „eine klinische Evaluation von Haridra Khanda und Pippalyadi Taila Nasya auf Pratishayaya (allergische rhinitis)“, veröffentlicht von CHHAYA BHAKTI, MANJUSHA RAJAGOPALA, A. K. SHAH., NARAYAN BAVALATTI derselben Universität vergleicht die orale Behandlung mittels einer als Haridra Khanda bekannten Pflanzenmischung und eine Nasenbehandlung durch mit langem Pfeffer mediziniertes Öl.
Beide Autoren vergleichen den modernen Begriff der allergischen Rhinitis mit dem ayurvedischen Konzept von Pratishayaya. Modha et. al. spezifizieren dies noch weiter als Vata-Pratishyaya. Allergie wird für beide unter dem Begriff „Asatmyaja Vyadhi (eine Krankheit, die durch Unzuträgliches entsteht)“ erklärt und nach den klassischen Texten sind die Auswirkungen verbunden mit einer erblichen Komponente, falschen Nahrungsmittelkombinationen (viruddhahara) bzw. einer langfristigen Vergiftung mit Toxinen niedriger Intensität (dushivisha – beinhaltet auch nicht zuträgliche Nahrungsmittelkombinationen) sowie durch den Übergang der Jahreszeiten (ritu sandhi).
Erblichkeit wird bei Sushruta erwähnt und kann als die individuelle Immunität (bala) erklärt werden. Diese wird zum Zeitpunkt der Empfängnis festgelegt und kann z. B. einen erhöhten IgE-Level (allergietypische Antikörper) bedingen. Viruddhahara wird in diesem Zusammenhang als Nahrungsmittelallergie bzw. -unverträglichkeit gesehen, welche alle möglichen Reaktionen und Interaktionen mit dem normalen Körperstoffwechsel hervorrufen können. Caraka hat zusätzlich die Punkte Verunreinigung und das Nichtbefolgen der Ernährungsempfehlungen (Dushivisha acarya) ergänzt. Diese führen zu verschiedensten, das Blut verunreinigende Störungen und die entsprechenden Symptome können mit allergischen Reaktionen in Zusammenhang gebracht werden. Weiter erklären die Autoren, Vagbatha folgend, umweltbedingte Allergien durch den Übergang der Jahreszeiten (Ritu sandhi), welcher alle drei Doshas aggraviert (Tridosha prakopa). Es kann eine Verunreinigung der Körpergewebe (dhatus) entstehen und ungewünschte Erkrankungen können auftreten (Asatmyaha Roga) wenn die jahreszeitliche Routine nicht richtig befolgt wird.
Nach Modha bestehen drei verschiedene krankheitsauslösende Wege. Der erste ist die Verunreinigung des Windelements (vayu), hauptsächlich durch Vata aggravierende Faktoren. Der zweite ist eine Kapha/Pitta/Rakta Dominanz, ebenfalls durch entsprechende aggravierende Faktoren. Der Dritte ist eine Kombination der vorgenannten. Alle drei Wege führen zu einer Behinderung von Udana Vata durch Kapha/Pitta/Rakta. Von den drei grundlegenden ayurvedischen Behandlungsmöglichkeiten (besänftigend – samshamana, reinigend – samshodhana und Vermeidung der auslösenden Faktoren – nidanaparivarjana) betont Caraka die reinigende Behandlung der Nase (Nasya). Das wiederholte Auftreten der Beschwerden und die Chronizität werden durch eine nicht vollständige Ausleitung der Doshas erklärt. Diese bleiben auf einem prädisponierten Level. Durch entsprechende Faktoren, welche auch als Allergene gesehen werden können, kann dann die wiederholt auftretende Symptomatik verursacht werden.
Beide Studien rekrutierten die Patienten aus dem Jamnagar Krankenhaus. Ausgewählt wurden Patienten mit den Symptomen einer allergischen Rhinitis ohne komplizierende Faktoren. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Zeichen einer ansteckenden Erkrankung, mit anatomischen Veränderungen wie einer Verkrümmung der Nasenscheidewand (Septumdeviation), Nasenschleimhautwucherungen (Nasenpolypen) oder bekannten systemischen Erkrankungen. Während von Modha keine ethische Beurteilung erwähnt wird, wurde die zweite Studie vom Ethik-Komitee der Gujarat Ayurved Universität, Jamnagar genehmigt.
1. Studie von Modha
Modha vergleicht den Effekt einer reinigenden Nasenbehandlung (Pradhana Nasya) mit einer Ölanwendung. Unter der Annahme eines entzündlichen Zustandes der Nasenschleimhäute wurde Curcuma (Haridra) als wohlbekannte und erfahrungswissenschaftlich belegte Pflanze bei entzündlichen Zuständen mit einer blutreinigenden (raktashodhana) und antitoxischen (vishaghna) Qualität zur zusätzlichen oralen Gabe ausgewählt. Insgesamt wurden 69 Patienten in die Studie aufgenommen und per Zufall in drei Gruppen aufgeteilt.
Gruppe A wurde mit einem mit einer Paste aus mit getrocknetem Ingwer medizinierten Öl behandelt. Die Patienten erhielten über 14 Tage jeweils 6-8 Tropfen Öl pro Nasenloch. In Gruppe B erfolgte eine reinigende Behandlung mit feinem Kataphala Pulver in der klassischen Dosierung von 3 Muchuti bis eine erfolgreiche Reinigung (samyak shuddhi lakshana) beobachtet werden konnte. Im Durchschnitt erfolgte die Behandlung über 3-6 Tage. In beiden Gruppen schloss sich eine orale Behandlung mit „Sudha Haridra“ in einer Dosierung von 2 g mit warmem Wasser oder Milch dreimal täglich über 21 Tage an. Gruppe C erhielt lediglich die eben beschriebene orale Medikation. Eine Nachuntersuchung erfolgte einen Monat nach Ende der Behandlung.
Die Beurteilung der Therapieeffizienz beinhaltete die Linderung von subjektiven Symptomen (Behinderung der Nasenatmung, Naselaufen, Niesen, Geruchsverlust, Kopfschmerzen, Husten, Juckreiz, Obstruktionsgefühl im Rachen, Rötungen um die Nase sowie plötzlich beginnendes und endendes Naselaufen - Akasmat Pravriti und Nivriti) auf einer Skala von 0 bis 3 (0 = keine Symptome, 1 =milde Symptome, 2 = moderate Symptome und 3 = volle Symptomatik). Des Weiteren wurden objektive Kriterien wie Stuhl, Urin und Blutuntersuchungen mit besonderem Augenmerk auf die Zahl der eosinophilen Blutkörperchen und die Blutsenkungsgeschwindigkeit untersucht. Die Gesamtbeurteilung erfolgte über eine vollständige Rückbildung der Symptome = 100%, eine deutliche = 75-100%, eine moderate = 50 – 75%, eine allgemeine Linderung = 25-50% sowie unveränderte Symptome = < 25% Besserung. In jeder Gruppe beendeten 2 Patienten die Behandlung nicht. Bei einem Patient aus Gruppe B trat eine übermäßige Reinigung auf, anderen war es nicht möglich, die tägliche Behandlung im Krankenhaus durchzuführen, es lagen ungünstige Zustände (apathaya sevana) vor oder sie sprachen nicht auf die Behandlung an. Die Auswertung der Teilnehmer zeigte, dass das Unterdrücken der natürlichen Reflexe (Vegadharana), unregelmäßige oder instabile Jahreszeiten (Ritu Vaishamya) und die Inhalation von Partikeln oder Rauch (Dhuli Rajah Sevana) die primären auslösenden Faktoren waren. Bei gut 95% der Patienten waren Naselaufen (Nasa Srava), Niesen (Kshavatu) und Kopfschmerzen (Shirahshula) die Hauptbeschwerden. Alle Ergebnisse werden ausführlich in Tabellen dargestellt und die Linderung der einzelnen Beschwerden innerhalb der einzelnen Therapiegruppen dargestellt. Hier zeigt sich zusätzlich die gleichmäßige Verteilung der Symptome in den verschiedenen Gruppen.
Die nasale Obstruktion, die pharyngeale Stauung, Rötungen um die Nase und der Augen (Konjuktiven) werden als Manifestation einer entzündlichen Reaktion mit einer Beteiligung des Blutgewebes (rakta) und des Plasmagewebes (rasa) gesehen. Weitestgehend zeigen alle Gruppen einen signifikanten Rückgang der Symptome mit leichten Unterschieden untereinander. Signifikante Veränderungen der Laborparameter konnten nicht gezeigt werden, wenn auch ein nicht-signifikanter Rückgang der Eosionphilenzahl in allen drei Gruppen dargestellt wird. Die besten Ergebnisse werden in Gruppe B mit einer Reduktion von mehr als 90% für die meisten Symptome erzielt. Nur Kopfschmerzen (83,5%) und Verlust des Riechens (68,5%) waren weniger, jedoch immer noch mehr bzw. gleich zu den anderen Gruppen gebessert. Dies spiegelt sich auch im Gesamteffekt der Behandlung wider, wobei 91,3% in Gruppe B eine deutliche Besserung verglichen zu 78,9% in Gruppe A und 76,2% in Gruppe C angaben.
In der Diskussion versuchen die Autoren die Verbindung zwischen den unterschiedlichen Effekten und den unterschiedlichen Eigenschaften der verwendeten Verfahren herzustellen. Sie schließen, dass Ingwer ebenso wie Kataphala durch ihre scharfen (tikshna) und heißen (ushna) Eigenschaften den krankheitsverursachenden Weg durchbrechen. Die Symptomlinderung ist durch die Kapha und Vata reduzierende Eigenschaften und einen vataregulierenden (vata-anulomana) Effekt zu erklären. Zusätzlich sind beide als antientzündlich und schmerzlindernd beschrieben. Kataphala soll einen anticholinergen Effekt haben, welcher die vermehrte nasale Sekretion lindert. Ingwer soll die Freisetzung von Entzündungsmediatoren hemmen und einen lokal antientzündlichen wirken. Haridra wirkt primär auf Blut- und Plasmagewebe-bezogene Symptome. Durch seine antihistaminergen Eigenschaften soll es direkt auf die allergische Reaktion wirken und die Freisetzung von Entzündungsmediatoren verhindern. Die Autoren schließen in ihren Überlegungen daraus, dass die lokal reinigende Behandlung eine direkte Wirkung auf die akuten Symptome hat und eine sofortige Linderung bringt, während die orale Behandlung einen systemischen Effekt hat. Die Ergebnisse zeigen weiterhin einen etwas besseren lokalen Effekt durch Kataphala im Vergleich zu Ingwer.
2. Studie von Bhakti
Die zweite Veröffentlichung von Bhakti et al. Untersucht den Effekt von Haridra khanda, eine Mischung von Curcuma (Haridra), Triphala (Früchte von drei verschiedenen Myrobalanenbäumen), schwarzem Pfeffer, langem Pfeffer, Ingwer (zusammen Trikatu) und anderen. Hiervon wurden 6 g zweimal täglich als Granulat verabreicht. Diese Behandlung wurde mit einer zusätzlichen lokalen Applikation eines mit langem Pfeffer medizinierten Öls verglichen. Dieses wurde dreimal über sieben Tage, mit jeweils einer Woche Pause, in einer Dosierung von 4-8 Tropfen pro Nasenloch durchgeführt. Eine Nachuntersuchung erfolgte nach zwei Monaten. Der Effekt auf die Symptome (Kshavathu = Niesen, Nasavarodha = nasale Obstruktion, Nasasrava = Rhinorhoe - Naselaufen, Kasa = Husten, Shirah shula = Kopfschmerz, Kandu = Juckreiz, Bhutva Bhutva = Wiederkehr, Aruchi = Geschmacksverlust, Svarabheda = Rauheit der Stimme, Jvara = Fieber, Shirogaurava = Schweregefühl im Kopf, Shvasa Kashtata = Schwierigkeiten bei der Respiration und Gandha hani = Anosmie – Verlust des Riechsinns) wurde mit einem Score von 0 bis 4 bewertet. Der Gesamteffekt wurde nach oben genannter Skala beurteilt und es wurden ebenfalls Blutproben genommen.
Von den 32 eingeschlossenen Patienten beendeten 26 die Behandlung. Gründe für die weggefallenen Patienten werden nicht genannt. Laut Autoren waren Staub und Verschmutzung die Hauptursachen. Erneut konnte eine signifikante Reduktion bezüglich aller oben genannter Symptome in den beiden Gruppen gezeigt werden. Die Laboruntersuchungen zeigten ebenfalls einen signifikanten Rückgang der Eosinophilenzellzahl, während die Veränderungen für die weißen Blutkörperchen und die Blutsenkungsgeschwindigkeit nicht signifikant waren. Erneut zeigte die Gruppe mit sowohl lokaler als auch systemischer Behandlung im Ganzen bessere Ergebnisse. Es gaben 53,33% eine deutliche Besserung und 40% eine moderate Besserung an, verglichen mit 45,45% und 36,3% in der lediglich systemisch behandelten Gruppe.
Fazit beider Studien
Die Autoren schließen aus Ihren Ergebnissen, dass die verwendete Pflanzenmischung hilft, die Körpergewebe zu regenerieren und die Widerstandsfähigkeit der Nasenschleimhäute zu verbessern. Es wird weiter diskutiert, dass viele der Zutaten Vata und Kapha als primäre krankmachende Faktoren zurück zu einem normalen Niveau bringen. Das verwendete Öl hilft weiterhin, lokale Obstruktionen zu beseitigen und die blockierte Sekretion durch seine leichten und sich schnell ausbreitenden (vyavayi) Eigenschaften zu beheben. Zusätzlich wird ein lokaler, das Immunsystem modulierender Effekt postuliert. Dieser soll den entzündlichen Prozess reduzieren und durch seine antibakterielle und seine antivirale Eigenschaft zur Vermeidung sekundärer Infektionen beitragen.
Beide Untersuchungen zeigen ermutigende Ergebnisse für die Behandlung der allergischen Rhinitis durch ayurvedische Maßnahmen. Auch wenn in keiner Gruppe eine vollständige Rückbildung berichtet wurde, kann die teilweise deutliche Linderung für alle Symptome als Hinweis dienen, dass eine lokale sowie ergänzende systemische ayurvedische Behandlung helfen kann, die Last der Patienten zu vermindern. Zwar steht ebenfalls ein rein symptomatischer Ansatz im Vordergrund. Die Autoren diskutieren jedoch bezüglich der Entstehung Ansätze, die eine langfristige Linderung möglich erscheinen lassen. Auch die postulierten Wirkweisen bieten Möglichkeiten für weitergehende Studien und Diskussionen. Beide Studien umfassen jedoch nur wenige Patienten und es gab keinerlei Kontrollgruppe.
Die allergische Rhinitis wird zu einem großen Teil durch die Exposition mit Allergenen ausgelöst. Bei einem Untersuchungszeitraum von zwei Monaten wäre eine entsprechende Kontrollgruppe sicher sinnvoll, um einen systemischen Fehler durch ein natürliches Nachlassen der vorhandenen Allergene zu verhindern. Es hätte zusätzlich eine tiefergehende statistische Auswertung zwischen den einzelnen Gruppen stattfinden können, um die einzelnen Behandlungen noch detaillierter miteinander zu vergleichen. Insbesondere der Veröffentlichung von Bhakti fehlt eine umfassendere Darstellung des gesamten Untersuchungsaufbaus und beide Studien erklären zu keinem Zeitpunkt die statistischen Methoden, mittels welcher die Ergebnisse beurteilt wurden. Als Behandlungsbeobachtung geben beide Untersuchungen jedoch erfreuliche Hinweise auf die Effektivität einer symptomreduzierenden Therapie der allergischen Rhinitis. Für in Europa tätige Therapeuten ist sie zusätzlich nützlich, da die meisten der verwendeten Komponenten leicht erhältlich sind. Sicherlich motivieren die Studien dazu, Nasenbehandlungen in der nächsten Allergiesaison als alternative symptomreduzierende Behandlungen durchzuführen.