Artikel von Dr. med. Kalyani Nagersheth, Ayurveda-Ärztin sowie Fachärztin für rehabilitative und physikalische Medizin (www.ayurveda-ffm.de)
Ein wichtiger Teil der ayurvedischen Medizin ist die Phytotherapie. In den klassischen ayurvedischen Texten sind sehr viele Pflanzen beschrieben und nach bestimmten Kriterien (z. B. Geschmack, Eigenschaften, thermischer Wirkung) kategorisiert. So kann immer die passende Pflanze für den einzelnen Menschen in seinem momentanen Zustand bestimmt werden. Diese individuelle Therapie macht den Ayurveda so einzigartig.
Einheimische Pflanzen
Natürlich sind in den klassischen Texten „nur“ indische Pflanzen erwähnt. Aber in Europa gibt es auch eine ausgesprochen wirksame Pflanzenvielfalt. Die einheimischen Pflanzen sind hier deutlich günstiger und in überprüfter Qualität zu erhalten. Um mit diesen Pflanzen ayurvedisch arbeiten zu können, sollten sie nach dem klassischen ayurvedischen System kategorisiert werden. Dies habe ich bei einer Auswahl an europäischen Pflanzen versucht.
Die einheimischen Pflanzen sind größtenteils nach westlich-pharmakologischen Kriterien gut untersucht. So sind z. B. die Inhaltsstoffe und deren Zusammensetzung bekannt. Von diesen Inhaltsstoffen können häufig Rückschlüsse auf die Eigenschaften gezogen werden, z. B. Gerbstoffe wirken trocknend. Der Geschmack kann entweder direkt wahrgenommen werden, oder auch über die Inhaltsstoffe ermittelt werden, z. B. Kohlenhydrate schmecken süß. Auch die thermische Potenz kann manchmal direkt wahrgenommen werden, z. B. die Beinwellwurzel fühlt sich kalt an. Manchmal wird auch in der volkstümlichen Medizin, der Klostermedizin, erwähnt, ob eine Pflanze kühlend oder erwärmend wirkt. So können Informationen gesammelt werden und im Endeffekt die Wirkung der Pflanze auf die Doshas bestimmt werden.
Meine Seminare zu diesem Thema sind unterteilt in Pflanzeninhaltsstoffe und entsprechende Krankheitsbilder. Es werden westliche Phytotherapie und ayurvedische Herangehensweise kombiniert. Wichtig dafür ist auch, dass die Pflanzen intensiv kennengelernt werden. Dazu werden sie auf Spaziergängen gesammelt. Das Aussehen der Pflanze, ihr Standort und wie sie sich anfühlt, sagt viel über ihre Wirkung aus. Durch die Zubereitungsform kann die Wirkung beeinflusst werden. Im Ayurveda ist die Verdauungskraft des Menschen das zentrale Thema. Durch Verarbeitung der Pflanzen werden sie leichter verdaulich und das gewünschte Wirkorgan kann spezifisch erreicht werden. So wirken z. B. alkoholische Zubereitungen (wie die meisten sicher aus eigener Erfahrung wissen) besonders auf das Gehirn.
Beachtung der Gesetze
Sowohl in der deutschen als auch in der indischen Phytotherapie müssen viele Dinge beachtet werden. In Deutschland müssen auch noch die geltenden Gesetze besonders berücksichtigt werden.
Für pflanzliche Arzneimittel gelten wie für alle anderen Arzneimittel auch die rechtlichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG), in dem die Anforderungen für die Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Voraussetzung für ihre Verkehrsfähigkeit festgeschrieben sind.
Die Ansprüche an eine bestimmte, vom AMG geforderte reproduzierbare Qualität sind in den letzten 15 Jahren deutlich gestiegen und können in den meisten Fällen nur noch durch einen planmäßigen (kontrollierten – nicht kontrolliert biologischen!) Anbau einheitlichen Pflanzenmaterials erfüllt werden. Es gibt auch spezielle Züchtungen, welche vom Bundessortenamt als eingetragene Sorte zugelassen werden müssen. Der kontrollierte Anbau hat nicht nur Nachteile, sondern dient auch dem Naturschutz, da sonst einige stark verwendete Pflanzen wie z. B. die Kamille bereits ausgerottet wären.
In Deutschland wird bei der Zulassung von Phytopharmaka ein spezielles Expertengremium, die Kommission E eingebunden. Sie ist eine vom Bundesgesundheitsamt in Berlin interdisziplinär zusammengesetzte Sachverständigen-Kommission und hat vorhandenes wissenschaftliches Erkenntnismaterial kritisch bewertet und als Zulassungskommission über die Inverkehrbringung neuer Phytopharmaka befunden. Sie hat mehr als 300 so genannte Monographien, d.h. Texte mit Aussagen zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneipflanzen und ihren Zubereitungen erstellt. Es gibt Positiv- oder Negativ Monographien, welche Bescheinigen, welcher Pflanzenteil bei welcher Indikation eine Wirksamkeit zeigt (positiv), bzw. ob die negativen Wirkungen überwiegen (negativ). Es gibt auch eine sogenannte Null-Monographie, bei diesen Drogen wurden weder positive noch negative Wirkungen gefunden, die Wirksamkeit wurde nicht ausreichend belegt, es bestehen jedoch keine Risiken.
Insbesondere die Monographien der Kommission E sind im Zusammenhang mit der ayurvedischen Medizin schwierig, da im Ayurveda Pflanzen auch bei Indikationen eingesetzt werden, für die sie eine Negativ-Monographie durch die Kommission E haben, z. B. Süßholz in der Schwangerschaft. Dies ist in Deutschland nicht zulässig.
Die Ausbildung über die westlichen Heilpflanzen nach ayurvedischen Kriterien soll helfen, diese Schwierigkeiten zu überwinden und praktische Hilfe für den Alltag bieten. Auch durch „einfache“ Tees kann Gesundheit erhalten erreicht werden.