Autoimmunerkrankungen aus Sicht des Ayurveda

Artikel von Theresa Sita Rosenberg

Autoimmunerkrankungen sind die dritthäufigste Erkrankungsgruppe, 5-8% der Bevölkerung weltweit sind von ihnen betroffen. In Deutschland ist ein stetiger Zuwachs an Autoimmunerkrankten sichtbar. Ayurveda mit seinem über 2000 Jahre altem Wissen hat bereits Erklärungs-, und Behandlungsansetze für diese heute immer bedeutender werdende Erkrankungsgruppe beschrieben, welche auch heute noch erfolgreich angewendet werden.

Es existieren 80-100 verschiedene Autoimmunerkrankungen mit ganz unterschiedlichen Symptomen auf organspezifischer oder systemischer Ebene, die Ursache deiner Erkrankungen findet seinen gemeinsamen Nenner in der Veränderung der Immunität. Aus schulmedizinischer Sicht entstehen die gegen die körpereigenen antigenen Substanzen gerichtete Immunantwort durch die Bildung von Autoantikörpern und autoreaktiven B- und T-Lymphozyten.

Aus Sicht des Ayurveda ist eine Autoimmunerkrankung nichts anders als das Zusammenspiel aus

- der Reduktion der generellen Immunität (Vyadhi ksamatva)

- dem Rückgang an körperlicher und geistiger Kraft sowie Energiereserve (Bala)

- der zu geringen Bildung an Lebensessenz deren Aufgabe unteranderem der Erhalt der natürlichen Selbstheilungskraft ist (Ojas)

 

Durch das Zusammenspiel dieser Faktoren entsteht ein Versagen der Gesamt-Immunität, welche in den alten Schriften des Ayurveda, der Charaka Samhita als „bala-bhramsa“ (Sanskrit) bezeichnent wird.

Alle drei Prinzipien werden durch unsere Verdauungsfeuer (Agni) gesteuert und optimiert, sind diese Faktoren wie im Falle einer Autoimmunerkrankung gestört ist Agni, der gemeinsamer Nenner.

 

Das Prinzip von Agni

Agni ist die treibende Kraft der Umwandlungen im Körper. Das Verdauungsfeuer arbeitet auf der Ebene der Nahrungsresorption sowie auf Gewebs- und Zellebene. Agni ist dafür zuständig, in welcher Qualität und Qualtität die Nährstoffe aus der Nahrung in jeder einzelnen Zelle ankommen.

Agni lässt sich in drei Unterformen gliedern:

  1. Jatharagni: Dies ist das Hauptagni. Es st zuständig für die Aufnahme und Resorption der Nahrung sowie die Ausscheidungsstoffe wie Urin und Stuhl. Es befindet sich im Bereich von Magen, Leber und Zwölffingerdarm. Entsprechend des Bio-Gleichgewichts im Körper kann das Jatharagni ausgeglichen, zu stark oder zu schwach arbeiten. Arbeitet die Verdauung zu schnell, zu langsam oder sehr unregelmäßig, so resultiert dies auf einem zu stark oder zu schwach arbeitenden Agni. Dieses Hauptagni kann durch leicht verdauliche Nahrungsmittel geschont und durch Gewürze gestärkt werden.

  2. Bhutagni: Dies ist die Stoffwechsel-Energie des Körpers. Sie hat die Aufgabe der Umwandlung der Nahrung, damit sie vom Zellstoffwechsel verwertet oder ausgeschieden werden kann. Der Hauptsitz von Bhutagni, dem „Umwandlungsorgan“, liegt in der Leber. Es sorgt für die Verstoffwechselung der einzelnen Nähr- und Wirkstoffe. Die Bhutagnis entsprechen den fünf Elementen.

  3. Dhatvagni: Dies ist das Zell-, und Gewebeagni, das „helle Licht“ am Ende der Agni Wirkkette. Hier findet die weitere Umwandlung der Nahrung in die von den Geweben benötigten Substanzen statt. Dieses „Gewebefeuer“ steuert den Zellstoffwechsel innerhalb der Gewebe. Nach ayurvedischer Betrachtung haben alle Gewebe einen eigenen Stoffwechsel mit eigenem Verdauungsprozess und gewebespezifischen Ausscheidungsprodukten und Funktionen. Dhatvagni hat seinen Sitz in jeder Zelle der spezifischen Gewebe. Am Ende dieser Stoffwechselkette entsteht Ojas, eine Lebensessenz welche für positive Ausstrahlung und Immunität im Sinne von Selbstheilungskraft entsteht, ein ganz entscheidender Faktor für unsere Gesundheit. Damit Ojas in optimaler Menge und Qualität gebildet wird muss Agni vorher auf allen Ebenen optimal funktionieren, jeder Verlaust an Stoffwechselenergie macht sich später als verringerte Selbstheilungskraft und Immunität (Ojas) bemerkbar.

Nahrung. Rohkost und Brot sind daher zusätzlich zu streichen. Möchten wir Ama für immer „aufwiedersehnen“ sagen sollten wir morgens einen warmen Getreidebrei mit gedünsteten Früchten, Mittags ein Kitcheri mit Mungbohne und sesonalem Gemüse und Abends eine leichte Gemüsesuppe (oder Mungbohnensuppe) essen. So wird das was wir essen optimal verdaut und unsere Agni kann sich ganz auf die Aufgabe der Ama-Eliminierung konzentrieren, denn dies kostet Kraft und Energie.

 

Dont ́s während der Ama Ausleitung:

- Glutenhaltige Getreide und Brot jeglicher Art

- Alle Milchprodukte außer gekochter Kuhmilch (bestmöglicher Qualität) mit

erhitzenden Gewürzen wie Ingwer, Zimt und Safran

- Rotes Fleisch und Geflügel

- Nachtschattengewächse

- Raffinierter Zucker

 

2. Reset des Microbioms und der Bioprinzipien (Doshas) im Darm durch Pancakarma

Nach unserer Ama-Eliminationskur (oft eine Pippali-Treppenkur) erfolgt ein mildes Abführen um den Körper von noch frei zirkulierenden Ama-Rückständen zu befreien. Das Abführen wird begleitet durch ausreichend (mind. 1 L pro Stunde) heißem Wasser mit der Funktion alle Zirkulationskanäle des Körpers (welche zuvor durch das Ama blockiert waren) zu reinigen, und durchzuspülen. Erst jetzt der Organismus wieder in der Lage seinen physiologischen Funktionen nach zu gehen, wir können mit unserem Reset beginnen, denn Ama wird nicht wieder alles durcheinander werfen und jegliche „Heilung“ blockieren. Gerade der Dickdarm benötigt nach einer langwierigen Ama-Belastung besondere Pflege. Durch Ama wird die Darmbariere des Dickdarms undurchlässiger, es kann davon ausgegangen werden dass durch Ama die sogenannten „Tight Junctions“ locker werden und so auch hier das Immunsystem negativ beeinflusst wird. Hier können spezielle Darmeinläufe helfen. Im Rahmen der Pancakarmakur wenden wir sowohl Einläufe mit medizinierten Kräuter-Ölen als auch Dekoten aus Pflanzenabkochungen (meist Wurzeln) ab. Diese stärken nicht nur die Genesung des Microbioms selbst, sondern balancieren auch die Doshas (Bioprinzipien) und können so ganzheitlich der Provokation auf lokaler Ebene entgegenwirken. Ist der Körper geeinigt und Agni gestärkt darf er nun Kraft tanken und gepflegt werden. So wie die Darmeinläufe die innere Schleimhaut pflegen, dürfen nun auch durch ayurvedische Massagen das gesamte System aber natürlich auch die Gewebe (insb. Haut und Faszien) von außen gepflegt werden.

 

3. Immunaufbauphase

Die Dritte Phase ist die Nachbehandlungsphase, nun gilt es alles richtig zu machen um nicht wieder von vorne anzufangen und dem Körper zu helfen in seiner Kraft zu bleiben um sich selbst zu regulieren, die Selbstheilungskäfte müssen wieder neu gestärkt werden, das Immunsystem unterstützt werden sich in Ruhe richtig zu sortieren. Im ayurvedischen Fachchagon heißt das Ojas und Bala aufbauen durch Rasayanas. Welches Rasayanas im jeweiligen Fall am besten eignet sind von der Art und Form der Erkrankung abhängig. Der beste Trägerstoff für Rasayanas bei Autoimmunerkranungen ist Ghee, es stärkt nicht nur Agni, sondern auch Bala und Ojas selbst. Aber auch durch Ernährung können wir hier wieder bestmöglich unterstützen.

Do ́s zu Stärkung von Ojas und Bala bei Autoimmunerkrankungen

- viel warmes Wasser trinken (am besten ausschließlich)

- warme Milch mit getrocknetem Ingwer

- Wald-Honig

- Ghee

- Gerste

- Mungdhal

- Roter Reis

- Steinsalz

- Amla-Frucht oder Chyavanprash (Ayurvedisches Amla-Fruchtmuss mit Agni

anregenden Gewürzen)

 

Gleichzeitig können wir nun mit der inneren Therapie zur Linderung der durch die Autoimmunreaktion ausgelösten Symptome beginnen. Jeder Mensch ist individuell, jede Autoimmunerkrankung manifestiert sich unterschiedlich. Aufgabe des Ayurveda Mediziners ist es nun die richtigen Mittel auszuwählen um das provozierte Dosha an der richtigen Stelle auszugleichen. Hier arbeitet Ayurveda nach dem Prinzip: Gegensätze gleichen sich aus. Die Eigenschaften welche das Leid verursacht haben werden nun durch Mittel mit gegensätzlichen Eigenschaften ausgeglichen. Ziel ist das nicht nur das Dosha auszugleichen, sondern auch den betroffenen Gewebestoffwechsel zu stärken, denn eben seine Schwäche hat die lokale Dosha-Störung erst möglich gemacht. So wird beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen welche sich in der Haut manifestieren mit blutreinigenden, hauttherapeutischen Mitteln gearbeitet.

 

Fallbeispiel:

Anna W. (25 Jahre) leidet seid ihrer Jugend unter rheumatoider Arthritis (eine häufige Autoimmunerkranung), diese Erkrankung ist in ihrer Familiengeschichte weit verbreitet, sowohl ihre Mutter, Tante und Nichte sind an der rheumatoider Arthritis erkrankt. Nachdem ihre Entzündungswerte diesen Sommer auf einen Wert von 35 angestiegen sind und dies sich auch durch starke Gelenkschmerzen zeigte wurde ihr von ihrem Rheumatologen einen 4-8 wöchige Kortison-Einnahme sowie eine Verdoppelung ihrer zuvor wöchentlichen MTX (Methotrexat)-Dosierung auf zwei mal wöchentlich 16mg verschrieben. Nach dieser Empfehlung suchte Anna W. meine Praxis auf um diesen Verlauf ihrer Erkrankung durch Ayurveda  zu stoppen oder zu lindern. Wir begannen sofort mit einer drei wöchigen Pippali-Treppenkur und stellten die Ernährung auf eine Ama reduzierende Kost ein (wie im Artikel beschrieben). Morgens gab es für sie ihre Pippali-Dosis mit Waldhonig und einen warmen glutenfreien und veganen Getreidebrei, Mittag Mungbohnen, Roter oder weißer Reis und ein leichtes Gemüse, Abends eine dünne Gemüse-Suppe ohne Kohlenhydrate. Auf Rohkost, kaltes Essen oder Brot wurde komplett verzichtet. Anna W. achtete aber auch auf eine Stressfreien Alltag und integrierte die ayurvedische Morgenroutine in ihren Alltag. Ab dem 7. Tag der Pippali-Treppenkur wurde Sallaki (Boswellia Serrata) und Teufelskralle dazugenommen. Zusätzlich schmierte Anna W. täglich eine Paste aus Beinwell auf ihre Fuß-, und Handgelenke (diese schmerzten am meisten). Bereits nach einer Woche waren die Entzündungswerte zurück gegangen, das Kortison wurde vom Rheumatologen bereits wieder abgesetzt. Nach der dreiwöchigen Treppenkur folgten drei Brühen-Fastentage und ein Abführtag. Ab diesem Zeitpunkt nahm Anna W. zusätzlich Yogaraja-Guggulu ein, ein spezielles Nahrungsergänzungsmittel zur Schmerzlinderung und Förderung der Beweglichkeit der Gelenke. Während dieser intensiven Zeit ging es der Patienten bereits deutlich besser, ihre Gelenke wurden weicher, ihr Stuhl normal geformt, ihr Schmerzen waren nahezu weg, und ihre Kraft kam zurück. Die MTX Dosierung wurde auf zwei mal wöchentlich 7,5 ml reduziert, eine Woche später bereits wieder auf die wöchentliche Dosis von 7,5 ml reduziert. In dieser Woche wurden alternierend Dekokteinläufe und Ölige-Einläufe durchgeführt. Anna W. fühlte wie ihr Körper wieder Energie tankt, sie fühlte sich so fit wie schon lange nicht mehr, auch ihre Physiotherapeutin war erstaunt und bestätigte ihr, dass ihre Gelenke noch nie beweglicher waren, die Entzündungswerte im Blutbild senkten sich stetig. So war die Motivation hoch ihre Ernährung weiterhin einzuschränken, nun wurde dieser jedoch schon deutlich vielseitiger. Anna W. darf nun eine vielseitige aber nach wie vor fast vegane Ernährung genießen, erlaubt sind nun warme Milch mit Gewürzen und Chyavanprash sowie Ghee als Kochfett und Trägerstoff. Die nächsten zwei Wochen wurden alle zwei Tage sanfte Kräuterstempel-Massage an den betroffenen Gelenken durchgeführt. Sechs Wochen nach Beginn der Ayurveda-Therapie sind die Entzündungswerte auf einen Wert von 5 gesunken, ein Wert den wie Anna W. berichtet sie schon seit der Jugend nicht mehr erreicht hatte, sie ist solange sie sich schont absolut schmerzfrei, und bei körperlicher Anstrengung nahezu schmerzfrei, ein Zustand der sie überglücklich macht. Die MTX Dosierung von 7,5 ml benötigt sie derzeit nur noch alle 3-4 Wochen, in Absprache mit ihrem Rheumatologen kann dieser weiter hinausgezögert werden solange sie schmerzfrei ist und ihre Entzündungswerte nicht steigen. Nun beginnen wir mit dem Ausschleichen der jetzigen ayurvedischen Nahrungsergänzungen, stärken aber weiterhin durch Rasayanas.