Hindernisse bei der Umsetzung
Der Ayurveda ist zutiefst davon überzeugt, dass Menschen in ihrem innersten Wollen das Gute und Richtige anstreben. Das für die Gesundheit zuträgliche Verhalten korreliert mit Wahrnehmungen, die als angenehm und wohltuend empfunden werden. Wer sich auf den Pfad einer gesundheitsbewussten Lebensführung begibt, kann durch positive Erfahrungen, die mehr Lebensqualität und Harmonie bringen, gestärkt werden.
Menschen, die diese Wahrnehmungen nicht mehr haben, die vielleicht sogar das Nichtzuträgliche als angenehm und zuträglich empfinden, sind in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit gestört. Sie leiden an einer Krankheit, die der Ayurveda „prajnaparadha“ – „Fehlgehen der Erkenntnis“ nennt. Diese grundlegende Störung liegt an der Wurzel vieler Erkrankungen, da sie das richtige Verhalten verhindert, falsches Verhalten fördert und damit anfängliche Befindlichkeitsstörungen zu einer somatisch manifestierten Krankheit werden lässt.
Mit der Einführung von prajnaparadha wird im Ayurveda ein besonderer Akzent auf die geistigen Ursachen von Krankheiten gelegt. Wir hatten bereits gesehen, dass falsches Verhalten als krankheitsauslösendes Moment definiert worden ist. Falsches Verhalten beruht aber seinerseits auf einer falschen Einstellung und einer falschen Wahrnehmung.
Ayurveda lässt sich sehr gut mit verhaltenstherapeutisch orientierten Empfehlungen und der psychologischen Aufarbeitung der Entstehungsgeschichte der Erkrankung kombinieren und unterstützt diese therapeutischen Ansätze.
Um all die beschriebenen Dimensionen des Ayurveda richtig umsetzen zu können, ist eine qualifizierte Ausbildung erforderlich. Inzwischen ist es jetzt auch in Deutschland möglich, ein Studium in Ayurveda-Medizin durchzuführen, das in seinem Curriculum dem in Indien durchgeführten Studium entspricht. Mehr Informationen: www.ayurveda-akademie.org/hochschulprogramm
Ein Behandlungsbeispiel
Frau, 45 Jahre, kaufmännischer Beruf
Erstgespräch: April 2010
März 2010 Nervenzusammenbruch. Im vergangenen Sommer gab es ein Missempfinden in der rechten Körperhälfte, davor war sie sehr belastet im Büro, ist umgezogen und hat viel gehoben. Damals war sie ausgebrannt, glaubte es sei ein Apoplex: Hysterie! Im Januar eine schwere Grippe, dann Missempfinden, sehr stark. Sie ist durch untersucht worden, alles ok. Depression und Burnout, die sich körperlich gezeigt haben,
3 Wochen zu Hause: Infusionen 2 Wochen lang mit Vit B und NaCl vom HA, gymnastische Übungen selbst, kein TV, kein Radio, kein Lesen, nach 3 Wochen Arbeit aufgenommen, jetzt besser, aber Haarausfall, bei linker Tonsille: Talgablagerungen und fühlt sich nicht 100% kräftig! Bei Belastung, re. Körperhälfte ein leichtes Kribbeln und Panikattacken (Herzrasen und Ängste) stündlich. Miktion gesteigert, manchmal stündlich, aber nicht in Arbeit (dürfen nicht auf die Toilette).
Hautunreinheiten mit Milchprodukten, im Gesicht verstärkt Mit 33 Jahren Thrombose, linker US, Pille wurde davor eingenommen. 5 Tage im KH.
HWS – Syndrom, vor Jahren Drehschwindelattacken, jetzt besser! Skoliose im Brustbereich! Epicondlitis re.
Psychosoziale Anamnese
Partner: Seit 15 Jahren Lebensgefährte, sehr harmonisch. Familie: Früher Kinder vom Partner am Wochenende zur Betreuung gehabt, sind jetzt erwachsen. Keine eigenen Kinder, zusätzliche Belastung wäre zu groß
Beruf: kaufmännischer Beruf, alles Terminarbeit. Viele Telefone im Großraumbüro, seit 1 Jahr, Lärm wird zur Belastung und stresst manchmal. Anfangs Konzentrationsschwierigkeiten, jetzt besser, außer bei Panik, welche ja sehr häufig auftritt.
Genussmittel: Kaffee: selten, Alkohol 0, früher Rotwein, Nikotin 5-8 seit 25 Jahren abends, um zur Ruhe zu kommen Ern/FS: früher: Brot mit Marmelade und Butter, Vollkornmüsli mit Milch Ern/ME: früher Kantine: jetzt vegetarisch (nur Beilagen)
Ern/AB: wenig: viel Gemüse und Nudeln, Fleisch wenig, Tomaten viel! Ern/ZWI: kein Käse! Wenig Rohkost, Banane 10 Uhr Trinken: Kräutertee und Wasser 2L Bewegung: Spaziergänge am WE, Therme: Schwimmen, Sauna, Physiotherapie Massagen und Wärme!
Stimmung: sieht alles halbleer. Bei Drehbewegung: Aversion und oft Panik!
Temperament: VATA (nie nein sagen und alles Schlucken)
Hobbys: Musik, weniger in letzter Zeit und lesen.
Körperliche Anamnese
Menses: Gestagenstäbchen, welches vom Gyn eingesetzt wird. Keine Mens. seit vielen Jahren
Stuhl: Verstopfungsneigung, durch Nikotin wird Verdauung gefördert. Urin: um die 30 rez. Harnwegsinfekte! Mit Kräutercreme besser. Durst: normal
Hunger: normal Geschmack: Nüsse mag sie, Schokolade ab und zu. Jahreszeiten: Kalt, Wind und Schnee sind nicht ihres. Sonne mag sie. In letzter Zeit kalte Hände und Füße. Schlaf: gerne und viel, von 22 Uhr – 6.30 Uhr. Könnte bis 8 Uhr schlafen, dadurch morgens sehr müde. Oft auch Durchschlafstörungen und viele Gedanken und 1-2 Mal Panik, auch in der Nacht.
Träume: eher Alltagsverarbeitung mit negativem Bürostress. Früher: Große Kugel rollt auf sie zu und überrollt sie Physimm: selten, manchmal schwitzt sie in der Nacht. Psychimm: leicht labil Allergie: Birne, Kirschen, Apfel: Blähungen, Milchprodukte: Hautunreinheiten, mit Meeresfrüchten noch schlechter! Erwartungen: Mehr psychische Kraft, Haut und Haare besser!
Untersuchung
RR/PU/RH: war eher normal NADLOFP: Vata und Pitta +: schwach, warm, schnell, regelmäßig NADLTP: PV NADROFP: Pitta und Vata +: stärker, warm, schnell, regelmäßig NADRTP: PV NADITIER: Frosch Zunge: Pitta, aber sehr unruhig und nach links geneigt, wenig Belag (cave Nikotin: hier sieht man oft den Belag nicht) Ama: Blut Augen: sehr empfindlich: Wind und Sonnenstrahlen Nägel: P Haare: verliert vermehrt Haare Zähne: P Haut: jetzt Unreinheiten im Gesicht, manchmal auch am Rücken Gewebe: P BEWAPP: VP
Agni: vishamagni
Eindruck: gut
Diagnose
Konstitution: Pitta, Vata Störung: Vata und Pitta gesteigert
Psychkpn: Rajas Doshapra: Vata und Pitta Dushya: Rakta und Rasa und Manas
Agni: Raktagni Ama: Blut Manasado: vata Sattva: gut Bala: gut
Behandlung
Ernährung: Anti Pitta Vata (Bogen erklärt und mitgegeben: sollte sie Schritt für Schritt ohne Druck ändern ) und Kräutertee ( Melisse, Orangeblüte, Hopfen etc.) 1 Liter am Tag
Lebensweise: Spaziergänge und nach ein paar Wochen wieder regelmäßig Schwimmen und Gitarre steigern
Ambiphysi: Kein Öl: aufgrund Pitta
Phytotherapeutische Unterstützung 1 Withania somnifera Kps. 290mg 3x1 1 Tinospora cordifolia Kps. 440mg 3x1 1 Bacopa monniera Kps. 480mg 3x1
1 Cyperus rotundus Kps. 150mg 3x1
August 2010 Folgegespräch (nach 4 Monaten, da die Patientin von weiter weg kommt) Email Feedback erstmals nach 4 Wochen verlangt und erhalten : Es wird alles langsam besser
Wie gehts? Geht viel besser! Vorigen Samstag, kleinen Finger gequetscht, UKH: Röntgen in Ordnung, kein Gefühl. Spürt es seelisch, Wut und Aggression ist da, Augen marginal besser. Unruhe ist besser und Panikattacken sind weg! Ist belastbarer in der Firma! Seelisch in der Beobachterrolle, auch einige Fehler und Schwächen gesehen, nicht mehr so übersensibel und lustiger! Missempfinden und stündliche Miktion gesteigert, auch in der Firma sagt Sie, dass Sie auf die Toilette muss. Sie hat einen größeren Bereich bekommen, kriegt keine Panik! Bewegung, Schwimmen und Gitarre hat sie gut geschafft.
Milchprodukte weg, Haut schubweise besser! Am Anfang schlimm, Gelenke waren schlechter, ist aber jetzt besser. Schwimmen und gymnastische Übungen! Blähungen waren stark. Tee aufgehört nach 3 Monaten, er war am Schluss zuviel! HWS-Syndrom: besser! PC wurde auch umgestellt! Fragen: Kein Käse! Projektion, weniger! Privat: Mann verbringt sicher mehr Zeit mit Kindern und vergisst Verabredungen mit ihr total! Kinder verlangen mehr! Aggressiv!
Puls: PITTA und VATA + stärker, warm, schnell, regelmäßig Zunge: P, Weniger unruhig, keinen Belag
Phytotherapeutische Unterstützung: Gleiche Empfehlung wie im Erstgespräch
April 2011 Folgegespräch
Wie geht es? Momentan nicht gut. Gestern Kündigung eingereicht. Firma kündigt vielen Mitarbeitern, sie ist seit 2 Jahren ausgebrannt. Sie müsste immer mehr arbeiten, es geht einfach nicht mehr! 21 Jahre in der Firma gewesen. Seelisch: Unruhe mehr und linke Gesichthälfte, wie Metalllähmung und auch Hände schlafen wieder ein, Großraumbüro wird noch größer. Toilette gehen mit Code möglich (man muss Code eingeben, um die Toilette zu benutzen), Zeit wird zu wenig, Pausen nicht erlaubt, Panik? Noch nicht da, Schwindel ist wieder da. Schlaf, geht gut.
Phytotherapeutische Unterstützung: kontinuierliche Einnahme, 1-2 Wochen reduziert, 1 Mal am Tag: Stimmung war gleich schlechter. Im Brustbereich enges Gefühl, Taubheitsgefühl kommt stark, stündliche Miktion, ist wieder schlechter geworden! Bewegung: Hometrainer am Abend. HWS-Syndrom wieder da. Haut ist gut, nur phasenweise kommen Flecken, aber werden besser. Grippaler Infekt im Februar, dann gar nichts mehr. Stuhl ist auch in Ordnung, Blähungen sind besser. Puls: P und Vata stärker, warm, schnell, regelmäßig Zunge: p, weniger unruhig, kein Belag, Ränder angespannt! Privat mit Lebensgefährten gut, ist verständnisvoll, war wichtig.
Phyotherapeutische Unterstützung 1 Withania somnifera Kps. 290mg 3x1 1 Tinospora cordifolia Kps. 440mg 3x1 1 Bacopa monniera Kps. 480mg 3x2 für 4 Wochen
1 Nardostachys jatamansi Kps. 100mg 3x2 für 4 Wochen
Zudem Abhyanga jetzt dazu verordnet, alle 2 Wochen mit Dhanvantharam Taila bei einer Therapeutin in ihrer Nähe. Auch die Yoga Übung (Stand) und die Fingeryogaübung (Shakti Mudra) als tägliches Ritual empfohlen.
Zusätzlich krank geschrieben – sprich: Sie braucht Ruhe und Zeit für sich. Attest über Burnout zur Vorlage bei diversen Ämtern und Behörden, damit sie sich auch selbst einmal eine Auszeit eingesteht.
Oktober 2011 Folgegespräch
(Mail im Juli: alles viel besser) Wie geht es? Viel besser! Null C2, krank 1x. Mai und Juni waren ganz schlimm, einmal auch Panikattacke. Seit 5 Monaten gar keinen Kaffee mehr, schmeckt auch nicht mehr, ist ruhiger und zufrieden. Job: am Freitag Attest vorgelegt. Als sie die Firma verließ, Nervenzusammenbruch, hat auch lange gedauert, gelassener seit September. Antidepressivum vom Psychiater verordnet hat sie nicht gebraucht. Geht viel in die Natur und kann sich die Zeit einteilen. Krankenstand bis September, Wieder auf Jobsuche, will in den Teilzeitbereich.
AMS: kein großer Druck. Erholt sich jetzt wirklich, Kraft wird besser.
Schlaf: 2-3 x in der Woche schläft sie spät ein und wird bald munter 5-6h. Haut ist besser. Stuhl täglich, Konsistenz weicher.
Ernährung: meidet alle Milchprodukte, auch keine Ziegenmilch, Zitrusfrüchte gehen nicht. Trinken genug, viel Rotbuschtee, Leitungswasser, Apfelsaft verdünnt.
Puls: PV, warm.
Zunge: leichter Belag, Haut: Unterschenkel re.
Phytotherapeutische Unterstützung
1/Withania somnifera Kps. 290mg 3x1 bis Dezember 2011
1/Tinospora cordifolia Kps. 440mg 3x1 bis Dezember 2011
1/Bacopa monniera Kps. 480mg 3x1 bis Dezember 2011
1/Nardostachys jatamansi Kps. 100mg 3x1 bis Dezember 2011
Zudem auch Abhyanga alle 2 Wochen bei einer Therapeutin in Ihrer Nähe
Mail: Anfang Januar 2012: seit 3 Wochen ohne Kapseln: alles gut und neuen ruhigeren Job mit Bedacht ausgesucht.
Literatur:
Caraka Samhita, Hg. Von P. V. Sharma, (engl.) Varanasi 1981 ff.
M. Mittwede: Ayurveda – Von den Ursprüngen zur Medizin heute, Heidelberg 1997.
S. N. Gupta, E. Stapelfeldt: Praxis Ayurveda-Medizin, Stuttgart 2009
E. Wolz-Gottwald: Heilung aus der Ganzheit, Ayurveda als Philosophie in der Praxis, Gladenbach 1991.
www.ayurveda-akademie.org/fileadmin/user_upload/PDFs/Artikel/stress-macht-krank.pdf
www.ayurveda-akademie.org/fileadmin/user_upload/PDFs/Artikel/burnout-rosenberg.pdf
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