Artikel von Kerstin Rosenberg
Als Dr. Hans Selye, der Pionier der Stressforschung, im Jahre 1950 den Stress als Reaktion des Körpers auf innere oder äußere Belastungen wissenschaftlich definierte, löste er eine medizinische Revolution aus. Nun erkannte man das Übermaß an mentaler, körperlicher und sinnlicher Reizüberflutung als Krankheitsauslöser an und psycho-mentale Therapieverfahren wurden entwickelt, bzw. wiederentdeckt.
Auch der Ayurveda nahm während dieser Epoche Einzug im Westen und konnte mit seinen traditionellen Behandlungsansätzen hochinteressante Antworten auf die aktuellen Fragen der Zeit geben: So beschreibt die vedische Philosophie die Ursache und Symptome von Stress bereits einige tausend Jahre vor Dr. Selye auf sehr detaillierte und brilliante Weise: Stress entsteht entweder durch das Unterdrücken oder die Nichterfüllung von natürlichen Bedürfnissen sowie durch die falsche, exzessive oder ausbleibende Verwendung des Geistes.
Zur Gesundung von Körper und Geist bei stressbedingten Beschwerden beschreibt der ayurvedische Arzt Charaka in dem klassischen Ayurveda-Lehrbuch der Charaka-Samhita die Anwendung von Jnana (spirituelles Wissen), Vinjana (Wissen der Schriften), Dhairya (Geduld, Toleranzfähigkeit und mentale Stärke), Smrti (Gedächtnis) und Samadhi (spirituelle Erleuchtung) als Leitprinzipien zur Entfernung der pathogenen Faktoren aus dem Geist.
Aus ayurvedischer Sicht ist Stress nicht nur die Ursache für viele akute und chronische Krankheitsbilder, sondern führt auch zu frühzeitiger Alterung. Immer dann, wenn wir unter mentaler Anspannung stehen, kann das Verdauungs-, Immun- und Nervensystem nicht richtig arbeiten. Damit erleiden wir einen massiven Verlust an essentieller Lebensenergie (ojas), was die Leistungsfähigkeit, Potenz und Lebensfreude stark reduziert.
Als wirkungsvolles Therapeutikum gegen stressbedingte Erschöpfungs- und Beschwerdenbilder bedient sich der Ayurveda spezieller Rasayana-Therapien. Zu den wichtigsten Rasayanas zählen sanften Ölmassagen und aufbauenden Nahrungsergänzungen. Der kurative Einsatz entspannender Ölbehandungen wie abhyanga (Ganzkörper-Ölmassage) oder sirodhara (Stirnguß) sowie die Nahrungsergänzungen Amalaki, Ashwanganda oder Weizengras werden zur körperlichen und mentalen Regeneration eingesetzt. Ergänzt von aufbauenden Nahrungsmitteln wie Mandeln, Rosinen, Datteln, Milch und Ghee kann eine spürbare Verbesserung der Immun- und Lebenskraft erzielt werden, die auch gegen stressbedingte Erkrankungen wie burnout, Schlafstörungen, Tinitus oder Allergien vorgeht.
Noch besser wie jedes Stärkungsmittel helfen Yoga, Meditation und eine entspannte Gemütsverfassung, um den Heilungs- und Regenerationsprozeß anzukurbeln. Denn so lange wir noch unter Druck, Ärger, Ängsten und schlechten Gewohnheiten leiden, kann sich das gesunde Gleichgewicht der körperlichen und mentalen Kräfte nicht entfalten. Und das ist, um noch einmal Charaka zu zitieren, unser wertvollstes Gut:
Gute Gesundheit ist die Wurzel tugendhafter Handlungen (Dharma), des Erwerbs von Wohlstand (Artha), der Befriedigung von Wünschen (Karma) sowie letztlicher Befreiung (Moksha.) Caraka-samhita,Su.I.15
Stress ist auf verschieden Ebenen subjektiv erlebbar
Körperlicher Stress | Mentaler Stress |
Körperlicher Stress wird ausgelöst durch nicht oder falsche Erfüllung der körperlichen Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen, Atem, Hygiene, Wasserlassen, Stuhl absetzen, Bewegung | Mentaler Stress wird ausgelöst durch nicht oder falsche Erfüllung der mentalen Bedürfnisse wie Anerkennung, Liebe, Wissen, Geborgenheit, Selbstverwirklichung, zwischenmenschliche Beziehungen. |
Körperliche Stressebenen manifestieren sich u.a. in Schmerz, Krankheit, Übersensibelität | Mentale Stressebenen manifestieren sich u.a. in Einsamkeit, Kummer, Sorgen, Schuldgefühlen, Trauer, Angst, Aggressionen, Unsicherheit, Gefühlsschwankungen, Nervosität, Depressionen |